Die Beschleunigeranlage um das Bonner Isochron-Zyklotron umfasst das Zyklotron an sich, aber auch die beiden externen ECR-Quellen mit der Niederenergie-Strahlführung sowie die Hochenergiestrahlführung und die sich anschließenden Experimentierplätze.
Einzelne Komponenten und Experimentierplätze der Beschleunigeranlage sind auf dem Plan entsprechend verlinkt.
Das Prinzip des Zyklotrons wurde 1932 von dem amerikanischen Physiker Ernest Orlando Lawrence (1901-1958) am Berkeley National Laboratory in den USA entwickelt. Es dient zur Beschleunigung von positiven Ionen, wie Protonen, Deuteronen und \(\alpha\)-Teilchen in einer Vakuumkammer, wo sie von einem konstanten Magnetfeld auf eine Kreisbahn gelenkt und durch elektrische Felder beschleunigt werden.
Die Ionen werden etwa in der Mitte des Beschleunigers in die Beschleunigungssektoren, die 'Dees' injiziert.
Ursprünglich waren diese D-förmig, daher auch der englische Name 'Dee'.
An diesen Dees liegt eine hochfrequente Wechselspannung an, die für ein wechselndes elektrisches Feld im Spalt zwischen den Dees sorgt.
Ein positiv geladenes Ion wird in diesem Spalt zum jeweils negative geladenen Seite beschleunigt.
Ausserhalb der Spalte der Dees wirkt auf die Ionen nur das Magnetfeld ein, welches sie auf eine Kreisbahn zwingt.
Passieren die Ionen auf dem Scheitelpunkt der Beschleunigungsspannung ein Dee, nehmen sie in den Spalten Energie auf und bewegen sich folglich auf einer Kreisbahn mit grösserem Radius weiter.
Haben die Ionen auf ihrer spiralähnlichen Bahn mit zunehmender Energie den Aussenradius des Beschleunigers erreicht, werden sie durch eine elektrostatische Ablenkelektrode (Deflektor) aus dem Zyklotron herausgelenkt.
Im Magnetfeld \(B\) bewegt sich ein Teilchen der Masse \(m\) der Ladung \(q\) und der Geschwindigkeit \(v\) auf einer Kreisbahn mit dem Radius \(r\).
Aus der Gleichheit von Zentripetal- und Lortentz-Kraft,
$$\underbrace{\frac{m \cdot v^2}{r}}_{\text{Zentripetalkraft}}~~~ =~~~~~ \underbrace{q \cdot v \cdot B}_{\text{Lorentz-Kraft}}~\text{,} $$
ergibt sich mit der Geschwindigkeit \(v=2\pi r \cdot \nu_0\) die Zyklotron-Resonanzbedingung zu
$$\frac{m}{q} = \frac{B}{2 \pi \nu_0} .$$
Hierbei ist \(\nu_0\) die Anzahl der Umläufe der Teilchen pro Sekunden, die Umlauffrequenz.
Damit die Teilchen immer zu dem Zeitpunkt in den Spalten der Dees eintreffen in dem die Wechselspannung die Teilchen beschleunigt (die positive Halbwelle der Wechselspannung beschleunigt, während die negative Halbwelle abbremst) muss das Feld mit einer Frequenz \(\nu_\text{rf}\) oszillieren die die Isochroniebedingung
$$ \nu_\text{rf}= h \cdot \nu_0 $$
erfüllt. Die Frequenz der Wechselspannung muss also immer ein ganzzahliges Vielfaches \(h\) der Umlauffrequenz sein.
\(h\) bezeichnet hierbei die Harmonischenzahl des Operationsmodus des Zyklotrons.
Wenn im Zyklotron beispielsweise nur ein Dee zur Teilchenbeschleunigung verwendet wird ist typischerweise \(h=1\). In einem Zyklotron mit drei Dees in einem Winkel von 120° zueinander ist auch \(h=3, 6\) oder \(9\) möglich.
Da die Wechselspannung zwischen den Spalten der Dees mal beschleunigt und mal abbremst, kann kein konstanter Teilchenstrahl zur Verfügung gestellt werden, sondern nur ein Strahl der aus Teilchenpaketen, sogenannten Bunches, besteht.
Die Wahl von \(h\) zeigt somit auch direkt an wieviele Bunche im Zyklotron pro Umlauf vorhanden sind.
Mit der kinetischen Energie \(E_\text{kin}\) steigt die magnetische Steifigkeit des Strahls mit dem Teilchenimpuls
$$ p = \beta \gamma \cdot m c $$
an und weicht vom nicht-relativistischen Impuls (\(m \cdot \beta c= m \cdot v\)) ab.
Hierbei ist \(\beta= v/c\) die Teilchengeschwindigkeit in Bruchteilen der Lichtgeschwindigkeit \(c\) und \(\gamma\) der relativistische Lorentz-Faktor
$$ \gamma = \frac{m c^2 + E_\text{kin}}{m c^2} $$
welcher sich für Protonen (\(mc^2\approx 938~\text{MeV}\)) von 1 auf etwa 1,015 während der Beschleunigung auf 14 MeV verändert.
Diese Impulszunahme würde bei einer radial konstanten Magnetfeldstärke zu einer Reduzierung der Umlauffrequenz mit dem Energieanstieg führen und somit die Isochroniebedingung für die Teilchenbeschleunigung verletzen.
Daher wird in einem Isochron-Zyklotron die Form des Magnetjochs so gewählt, dass das Magnetfeld radial ebenfalls mit dem \(\gamma\) der Teilchen ansteigt.
Somit wird die Umlauffrequenz konstant gehalten und die Isochroniebedingung bleibt für alle Umläufe des Strahls erfüllt.
Aufgrund der Orientierung der Magnetfeldlinien wirkt eine defokusierende Kraft auf Teilchen die eine vertikalen Ablagen \(z\) von der Sollbahn aufweisen weshalb eine "starke Fokussierung" durch ein azimutal variierendes Magnetfeld (kurz AVF für Azimuthally Varying Field, auch Thomas-Fokussierung genannt).
Diese azimutale Variation der Magnetfeldstärke wird erreicht indem das Magnetjoch in Sektoren hoher Magnetfeldstärke, also kleinem Jochabstand, und Sektoren niedriger Feldstärke, also großem Jochabstand, unterteilt wird.
Aufgrund der Form des Magnetjochs wird diese auch "Hill-and-Valley"-Polschuhform genannt.
Zwischen Sektoren hoher und niedriger Feldstärke bilden sich magnetische Randfelder mit nicht-senkrechter Orientierung aus. Aufgrund der unterschiedlichen Ablenkradien in den Sektoren hoher und niedriger Magnetfeldstärke tritt der Teilchenstrahl nicht senkrecht in diese Randfelder ein und es ergbit sich eine fokussierende Kraft in der vertikalen Ebene, welche den Strahl auf seiner Sollbahn hält.
Das Bonner Isochron-Zyklotron beschleunigt Protonen, Deuteronen, Alpha-Teilchen und weiter Ionen mit \(Q/A \geq 1/2\) im \(h=3\)-Operationsmodus auf relativistische kinetische Energien im Bereich von 7 bis 14 MeV pro Nukleon. Schwerere Ionen bis zu \(^{12}\text{C}^{4+}\) mit \(Q/A \geq 1/3 \) auf Energien von \(E_\text{max}= 60 \cdot Q^2/A\) MeV. Hierbei ist \(Q\) die Ladungs- und \(A\) die Massenzahl der Strahl-Ionen.
Die Ionen werden von einer von zwei externen ECR-Quellen (Electron-Cyclotron-Resonance) zur Verfügung gestellt.
Je nach verwendeter ECR-Quelle kann hierbei ein polarisierter oder unpolarisierter Teilchenstrahl von unten in das Zyklotron injiziert und beschleunigt werden.
Das Bonner Isochron-Zyklotron wurde in den Jahren 1968 bis 1970 durch die AEG-Beschleunigerbau, Grosswelzheim als dritte Maschine dieser Art nach Karlsruhe und Jülich gebaut.
Hierbei wurde das Magnetjoch (ca. 250 t) des seit Mitte der 50er Jahre betriebenen Synchro-Zyklotrons nach Modifikation weiterverwandt.
Am 20. 12. 1968 lieferte der Beschleuniger den ersten internen Deuteronen-Strahl und wurde am 29. 10. 1970 der Universität Bonn übergeben.
Sofort nach Abnahme des Zyklotrons wurde in Zusammenarbeit mit der AEG mit dem Aufbau des Strahlführungsystems begonnen, dessen Konzeption darauf abzielte, die spezifischen Vorteile eines energievariablen Isochron-Zyklotrons hoher Strahlgüte voll zu entfalten und den Strahl vom Zyklotron zu den einzelnen Strahlplätzen (Targets) zu führen.
Die wichtigsten Arbeiten am Strahlführungssystem waren Ende 1973 abgeschlossen.
Ab April 1975 wurde das Zyklotron mit einem Injektionskanal für externe Ionen durch den unteren Polschuh ausgerüstet und von interner auf ein externe Ionenquellen umgestellt, wobei jetzt eine zweistufige 5 GHz Elektron-Zyklotron-Resonanzquelle (ECR), sowie eine Quelle für polarisierte Ionen mit einem 2,5 GHz ECR-Ionisierer betrieben werden kann.
Ständig wurden und werden Verbesserungen an Beschleunigungssystem, Hochfrequenzgenerator, der Regel- und Steuerungselektronik, den Ionenquellen sowie der Rückkühlanlage vorgenommen um die Funktion und Betriebssicherheit des Beschleunigers zu gewährleisten und zu verbessern.
Der Teilchenstrahl mit einer kinetischen Energie von 4 bis 8 keV von einer der beiden ECR-Quellen wird in der Niederenergie-Strahlführung von unterhalb des Zyklotrons in dessen magnetisches Zentrum injiziert.
Hierbei wird die Geschwindigkeit der Strahlteilchen vor Injektion durch zwei Buncher zeitlich moduliert und so Bunche geformt um die Transfereffizienz des Zyklotrons von etwa 10% auf 25 bis 30% zu erhöhen.
Durch einen elektrostatischen Hyperboloid-Inflektor wird die Bewegungsrichtung des Strahls aus der vertikalen in die horizontale Ebene gedreht und dieser auf einem Bahnradius von etwa 37 mm injiziert.
Zur Realisierung der Starken Fokussierung in der vertikalen Ebene mittels AVF ist der Polschuh des Magneten azimutal in 6 Sektoren mit abwechselnd hoher und niedriger Magnetfeldstärke unterteilt.
Ein "Berg"-Sektor, ein Bereich hoher Feldstärke vom maximal 1,9 T, hat hierbei einen Anteil von 40° zum Vollkreis wohingegen ein "Tal"-Sektor, ein Bereich mit niedriger Feldstärke von maximal 0,7 T, einen Anteil von etwa 80° einnimmt.
Die Symmetriepunkte der einzelnen Berg- und Tal-Sektoren haben hierbei einen Winkelabstand von jeweils 120° zueinander.
Zur lokalen Variation der Magnetfeldstärke des Zyklotronmagneten zur Optimierung der Injektion und der Transfereffizienz sind 21 Paar, teils überlappende, Korrekturspulen an den Bergsektoren installiert.
Der Isochron-Zyklotron operiert standardmäßig mit der Harmonischenzahl \(h=3\) und ist in der Lage eine Vielzahl von Ionenspezies auf verschiedene Strahlenergien zu beschleunigen.
Daher ergibt sich auch die Notwendigkeit der Verwendung eines breitbandigen Hochfrequenz-Systems, welches mit Frequenzen zwischen 20 und 29,9 MHz operiert.
Hierbei wird das initiale Hochfrequenzsignal durch einen, in einem weiten Frequenzbereich einstellbaren, Stoßkreis erzeugt und dessen Amplitude durch einen breitbandigen Rohrenverstärker auf eine Hochfrequenzleistung von bis zu 50 kW erhöht.
Dieses Hochfrequenzsignal wird in das Nord-Dee eingekoppelt und über den Stern-Punkt auf die Südost- und Südwest-Dees übertragen.
Das Wechselfeld, welches sich zwischen dem Aussen- und Innenleiter der Dees in zwei Spalten pro Dee ausprägt und die passierenden Strahlteilchen beschleunigt, hat hierbei eine Feldspannung von maximal 40 kV.
Um für die Extraktion des Ionenstrahls eine räumliche Trennung der äußersten Umlaufbahn (Radius 900 mm) von der benachbarten Bahn zu realisieren, wird ein elektrostatisches Septum als Deflektor verwendet. Der so abgelenkte Strahl passiert im Anschluss den sog. Kompensierten Kanal, in welchem das Feld des Zyklotronmagneten durch ein Gegenfeld kompensiert wird, mit fast gradliniger Trajektorie und erreicht den Hauptkanal wo er weiter zur Hochenergiestrahlführung propagiert.
Im Folgenden sind die Kenndaten des Bonner Isochron-Zyklotrons, sortiert nach einzelnen Funktionsgruppen, aufgelistet.
Kenndaten des Zyklotronmagnetsystems.
Gewicht des Zyklotronmagneten | ca. 250 t |
Durchmesser des Polschuhs | 2000 mm |
Anzahl der Bergsektoren | 3 |
Winkel des Bergsektors | 40° |
Spiralwinkel des Bergsektors | 0° |
Breite des Luftspalts im Bergsektor / Talsektor | 84 / 240 mm |
Breite des freien Luftspalts | 48 mm |
Mittlere magnetische Flussdichte | max. 1,3 T |
Magn. Flussdichte im Bergsektor | max. 1,9 T |
Magn. Flussdichte im Talsektor | max. 0,7 T |
Flutter | 0,62 |
Anzahl Hauptmagnetspulen | 2 |
Magnetstrom / Netzgerätleistung | max. 430 A / max. 38 kW |
Anzahl der Korrekturspulenpaare | 21 |
Korrekturspulenstrom / Netzgerätleistung | max. ±30 A / max. 6 kW |
In der Vakuumkammer des Isochron-Zyklotrons kommt ein Öldiffusionspumpe zum Einsatz.
Material der Vakuumkammer | V2A-Stahl sowie Aluminium |
Saugvermögen der Öldiffusionspumpe | 12.000 l/s |
Erreichbarer Druck in der Vakuumkammer | 2 x 10-6 mbar |
In zwei externen Ionenquellen können polarisierte oder unpolarisierte Ionen unterschiedlicher Masse als Strahl bereitgestellt werden. In der Niederenergie-Strahlführung wird dieser Strahl dann durch Pre-Buncher gebuncht und vertikal in das Zentrum des Zyklotrons injiziert.
Electron-Cyclotron-Resonance-Quelle (ECR) | Protonen bis 16O6+ |
ECR für polarisierte Ionen | Protonen, Deuteronen |
Injektions-Energie | 4 bis 8 keV |
Anzahl der Pre-Buncher | 2 |
Injektions-Radius | 37 mm |
Injektionseffizienz | 30 % |
Das breitbandige Hochfrequenz-System des Zyklotrons, bestehend aus Stoßkreis und breitbandigem Röhrenverstärker, erzeugt das, zur Strahlbeschleunigung notwendige, elektrische Wechselfeld in je zwei Beschleunigungspalten in jedem der drei Dees.
Anzahl der HF-Sektoren (Dees) | 3 |
Anzahl der Beschleunigungsspalte | 6 |
Durchstimmbarer Frequenzbereich | 20,0 - 29,8 MHz |
HF-Spannung | max. 40 kV |
HF-Leistung | max. 50 kW |
Zur Extraktion des Strahls wird dieser erst mit einem elektrostatischen Septum abgelenkt und so räumlich vom benachbarte umlaufenden Strahl getrennt. Anschließend passiert der Strahl den Kompensierten Kanal und wird im Hauptkanal aus den Zyklotronmagnetfeld extrahiert.
Extraktions-Radius | 900 mm |
Elektrische Feldstärke im Deflektor (Septum) | 80 - 100 kV/cm |
Spulenstrom im Kompensierten Kanal | max. 900 A |
Elektrische Feldstärke im Hauptkanal | 0 - 10 kV/cm |
Nachfolgend sind die Parameter des internen und externen Strahls des Isochron-Zyklotrons dargestellt.
Kinetische Energie des Strahls | 7 bis 14 MeV pro Nukleon für \(Q/A\geq 1/2\)
\(60\cdot Q^2/A\) MeV für \(Q/A \geq 1/3\) |
Strahlstrom intern / extern | max. 15 / 10 µA |
Energiegewinn pro Umlauf | ca. 120 keV pro Nukleon |
Anzahl der Umläufe | ca. 120 |
Bahnabstand (bei r = 900 mm) | 3 mm |
Durchstimmbarer Bereich des Dutyfaktors | 1,5 - 12 % |
Zeitlicher Abstand der Bunche bei Emin / Emax | 50 / 33,6 ns |
Zeitliche Länge der Bunche bei Emin / Emax | 0,75-6 / 0,5-4 ns |
Maximale Geschwindigkeit der Strahlteilchen | \(\approx\) 50 000 km/s (0.17 c) |
Emittanz des internen Strahles (radial / axial) | 8 / 11 mm mrad |
Emittanz des extrahierten Strahles (radial, hor. / axial, vert.) | 16 / 22 mm mrad |
Relative Energiebreite \( \Delta E / E \) des extrahierten Strahles | 4 x 10-3 |
Relative Energiebreite des Strahls nach zwei 90°-Ablenkmagneten | bis 10-4 |